Der Vohwinkel Fuchs
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Neuer Bahnhof Vohwinkel - Werden und Vergehen

Bahnhof Vohwinkel im Herbst 2001 (Foto Thomas Sträter)

 

Da haben wir solch ein interessantes Bauwerk und können ohnmächtig nichts am derzeitigen Zustand ändern. Ein Aushängeschild voller Geschichte und voller Geschichten folgt dem Schicksal vieler traditionsreicher Gebäude in unserer Stadt.

Lassen Sie mich vom Entstehen und von den Glanzzeiten berichten, von denen mir Eberhard Spitzer erzählt hat, dessen Familie insgesamt 32 Jahre die Gastwirtschaft betrieb.

 

1847 - Der 1. Bahnhof in Vohwinkel soll westlich des Marktplatzes gestanden haben. Damals wurden solche Bauwerke den umliegenden Gebäuden im besonderen Charakter des Baustils der Jahrhundertwende angepasst, wie am Bahnhof Zoo noch zu erkennen ist.

Das 2. Bahnhofsgebäude im Stationsgarten war um die Jahrhundertwende viel zu klein geworden, denn der Reiseverkehr hatte rapide zugenommen.

Die Strecke Düsseldorf-Vohwinkel endete damals am Fachwerkhaus Kaiserstraße 29, und hier war auch die Fahrkartenausgabe. Gelände war gekauft, aber woher jetzt kurzfristig die Pläne für ein imposantes Gebäude nehmen? Stattlich sollte es auf jeden Fall sein, darüber war man sich einig.

Was wäre das Leben ohne Zufälle. Da war ein Mensch, der Pläne zum Bau einer Kirche in Hagen hatte, und das schlug natürlich ein! Ein Bahnhof im Baustil einer Kirche! Ein Empfangsgebäude, das jeden Fahrgast begeisterte.

1908 konnte dieses imposante Bauwerk eingeweiht werden. Ein "Kirchturm" mit 4 Uhren. Im linken Seitenschiff befand sich die Fahrkartenausgabe, die Auskunft sowie ein Personalbüro; gegenüber auf der rechten Seite war Gepäckannahme und -ausgabe und die Expressgutabfertigung, die Gepäckstücke an jeden beliebigen Bahnhof lieferte und auch dort empfing.

Ach ja, und dann die Fahrkartenhäuschen - zwei Stück waren es, und die Kontrolleure saßen dort, um mit ihren Zangen die Fahrkarten bei Abfahrt zu entwerten oder sie ganz einzubehalten. ("Fahrkartenknipser"). Auch mit einer Bahnsteigkarte kam man zu den Zügen, und die wurde beim Verlassen des Bahnhofs ebenfalls abgenommen.

Zu diesem Prachtstück von Bahnhof gehörten auch gepflegte Sanitäreinrichtungen, die gleichermaßen für Reisende wie für Bahnbedienstete im Keller am Lichthof zum Gleis 1, dem "Hausgleis" vorgesehen waren. Geräumige Damen- und Herrentoiletten waren installiert worden, und für eine Zeitlang konnten dort auch Wannenbäder genommen werden. Im Verlauf der Jahre wurden die Toiletten neben den Tunnel gebaut und mit Emailleschildchen kenntlich gemacht. Die Schließung kam 1980, und seither fehlen diese Örtchen für das menschlichste aller Bedürfnisse.

Alle zuvor beschriebenen Einrichtungen waren den Reisenden bis etwa 1970 zugänglich. Vohwinkel war der wichtigste Umsteigebahnhof in Wuppertal für Reisende nach Hagen, Essen, Düsseldorf und Köln, und so war unser Stadtteil zur Eisenbahnerstadt geworden.

An all das werden sich noch zahlreiche Anwohner erinnern können. Aber da gab es noch viele Dinge im Verborgenen. Unter dem Gesamtkomplex waren z.B. 2.500 m Heizungsrohre verlegt, die von 3 Kesseln gespeist wurden. Der Koks wurde auf Gleis 11 angeliefert - also am Posthof - und von dort in den Keller geschafft. Dort befand sich eine Lore, die über das Ofenloch geschoben wurde, so dass nach Entfernen der Platte die Feuerstelle gefüllt werden konnte. Jahre später wurde auf Ölfeuerung umgestellt.

Auch eine Quelle befindet sich unter der Erde; das Wasser fließt in einen Abfluss und von dort in die Wupper.

Noch bevor der neue Bahnhof gebaut wurde, war Vohwinkel schon als Reisestrecke so bedeutend, dass unter der Unterführung zwischen Gleis 5 + 6 ein Aufgang errichtet wurde, und dazu gehörte natürlich ein Fahrkartenschalter, eine Sperre und das obligatorische Kontrollhäuschen. Als dann schließlich der neue Bahnhof stand, wurde dieser Zugang einfach zugemauert. Und es dauerte 80 Jahre, bis zum Erreichen der S-Bahn eben dieser Aufgang wieder geöffnet wurde, diesmal allerdings mit Fahrkartenautomat. Menschen waren nicht mehr gefragt. Dafür Parkraum - Stellflächen für die Pendler, die davon regen Gebrauch machen. Allerdings unser schöner Bahnhof ist vereinsamt, denn hier geht aufgrund dieser günstigen Parkmöglichkeiten kaum noch einer durch. Und wie das so ist, wo die Menschen fern bleiben, tauchen die Schmierer auf und auch diejenigen, die früher die Toiletten nutzen konnten und heute dafür die Bahnhofshalle wählen. Ein trauriger Zustand! Wie gesagt, ohnmächtig müssen wir zusehen, denn die Deutsche Bahn, die immer wieder bezüglich der Zustände angegangen wurde, tut nichts zur Abhilfe. Aber werfen wir lieber einen Blick in die schönen Tage der Vergangenheit. Jeder Bahnsteig verfügte gleich neben den Wartehäuschen über einen Gepäckaufzug, von wo alle Gepäckstücke auf fahrbaren Untersätzen durch Tunnelgewölbe auf Gepäckwagen zum Sortierplatz im Keller oder zum Postgebäude gefahren wurden. Bis 1970 - rund um die Uhr.

Bahnsteig 3 + 4 verfügte über ein Häuschen für den Fahrdienstleiter (dunkelblaue Uniform - rote Mütze) und seinen Aufsichtsbeamten, der auch für Auskünfte zuständig war. Alles hatten die beiden Herren im Blick: Personenwagen und Gepäckwagen. Und dann kam die durchdringende Stimme "Vorsicht am Zuge!", die erhobene Kelle, ein greller Pfiff aus der Trillerpfeife und - tsch - tsch - tsch - der Zug setzte sich fauchend in Bewegung.

Der Chef des Bahnhofs, der Herr Bahnvorsteher, verfügte über einen Telefonanschluss, von dem aus alle deutschen Bahnhöfe ohne Handvermittlung erreichbar waren. Allen Telefonanbietern 50 Jahre voraus, das war damals die Deutsche Reichsbahn. Ein bisschen umständlich, aber es klappte - beispielsweise von Vohwinkel nach Frankfurt:

1. Vorwahl Wuppertal, 2. Vorwahl Köln, 3. Vorwahl Mainz, 4. Vorwahl Frankfurt. Meldete sich dann eine Stimme mit "Frankfurt, Frankfurt", konnte in einem speziellen Telefonverzeichnis der Anschluss des Teilnehmers gewählt werden (z.B. Fundbüro).

Der Schienenzeppelin auf seiner Jungfernfahrt am 26. Juni 1931 durch Vohwinkel (Foto Sammlung Johenneken)

Der "Schienenzeppelin", erbaut von Konstrukteur Franz Krukenberg, brauste auf seiner
Jungfernfahrt am 26. Juni 1931 durch Vohwinkel. Er sollte 200 kmh erreichen, aber dafür
hätten die Schienenwege getrennt werden müssen. Und so hörte man nichts mehr von ihm.

Vor dem Bahnhofsgebäude standen Droschkenkutscher für die vielen Reisenden, aber sie wurden durch die aufkommenden Automobile verdrängt. Die heute dort vorhandenen kleinen Lädchen an der Stützmauer von Gleis 1 waren die ehemaligen Pferdeställe.

Nach Ende des 2. Weltkrieges wurden die Wartesäle umfunktioniert. Flüchtlinge waren hier untergebracht, z.T. auf Strohlager. 2 Jahre sollte diese traurige Zeit anhalten.

Aber dann kam wieder Leben in den Bahnhof (bis 1970 s.v.), denn unzählige Fahrgäste waren ständig von und zu den Zügen auf den Beinen, bis sie eines Tages die Fahrt mit dem eigenen Wagen vorzogen. Und dann ging es Schlag auf Schlag:

Die Sperre mitten in der Halle verschwand, hier steht heute der Fahrkartenautomat. Einem Kiosk zwischen den Wartesälen 1. + 2. Klasse wurde der Garaus gemacht. Die 3 Geschäfte im Bahnhof (Kosmetik, Zeitschriften und Blumen) konnten nicht mehr bestehen, Fahrkartenschalter, Gepäckaufbewahrung, Express- und Gepäckgutannahme wurden geschlossen. Einzige Mieter zum jetzigen Zeitpunkt sind eine Bank und ein Fotograf.

In den 70er Jahren stand auch schon einmal ein Abriss zur Debatte, was aber durch einen Konservator noch rechtzeitig unterbunden werden konnte. Der nämlich entschied: "Das Gebäude wird erhalten, und die Halle wird im Jugendstil renoviert." Und so geschah es, der Bahnhof erstrahlte in neuem Glanz, bis - ja bis eine Gruppe von Randalierern Streit vom Zaun brach und sich mit Schotter von den Gleisen bewarf. Wände und Fensterscheiben gingen zu Bruch.

In diese Zeit fiel auch die Elektrifizierung der Bahnstrecke, und mit Erscheinen der E- und Dieselloks wurde der vom schwarzen Qualm arg strapazierte Bahnhof wesentlich sauberer.

Als damals Fahrkarten- und Reisegepäckschalter geschlossen wurden, hatte die Post auch das in der Empfangshalle installierte Telefonhäuschen abgebaut, und so musste der Bahnhofswirt in vielen Fällen Hilfestellung leisten, wobei auch mehrmals Notarzt und/oder Krankenwagen angefordert werden mussten.

Überhaupt - die Bahnhofsgaststätte. Hier war die Stelle, wo noch Leben war. Zahlreiche Vereine waren Dauergäste, sei es zum Feiern oder für Versammlungen. Chöre hatten den Saal für ihre Proben gebucht, Familienfeste, Modenschauen, Karnevalsfeten, Hochzeiten, Weihnachtsfeiern und viele Unterhaltungsabende füllten den Spitzer'schen Terminkalender auf Monate im voraus.

Nach der Kündigung des Mietverhältnisses durch die DB im Jahr 1997 wurde es sehr still im Bahnhof. Nur die Chöre haben noch die Möglichkeit zum Proben, aber wie lange noch? Die Räume der Gaststätte waren ehemals Wartesaal 1. Klasse. Die Wandtäfelung (sie besteht noch heute) war im Lauf der vielen Jahre durch Nikotin konserviert.

Dabei gab es damals 4 Wartesäle, wobei die Klasse 1 mit gepolsterten Bänken bestückt war, die Klasse 2 hatte einfache Bänke, und in der 3. Klasse saß man auf seinem Gepäck. Klasse 4 war den Reisenden mit Traglasten vorbehalten.

Erinnerung an das Vereins Lazarett Vohwinkel 1915 (Sammlung Johenneken)

Traurigen Ruhm erhielt unser Bahnhof, als vor einigen Jahren ein Bankräuber mit einer Rohrbombe die Kasse der inzwischen im vereinsamten Gebäude angesiedelten Bank stürmte.

5 Bahnhofswirte hatte das Restaurant als Pächter: Korten, Bäumer, Magnus, Spitzer sen. und zuletzt Spitzer jun. In den Anfängen war die Küche im Keller untergebracht, und während des 1. Weltkrieges versorgte das Deutsche Rote Kreuz von dort aus die Lazarettzüge mit Suppen, belegten Broten und Kaffee. Als dann dieser Krieg beendet war, wurde der Vohwinkeler Bahnhof Grenzbahnhof zwischen der englischen und der französischen Zone. Die Gaststätte war französischer Sektor. Der Zoll hatte sich in den Fahrkartenhäuschen niedergelassen. Zu dieser Zeit war in der Gaststätte für eingeweihte Vohwinkeler Bürger ein Schmuggel-Eldorado, denn nach Prüfung der Papiere durch den französischen Zoll konnte das Schmuggelgut, beispielsweise Schinken aus dem Westfälischen, Koks zum Heizen, Kartoffeln oder Kaffee, von der 1. Klasse durch das Kellergewölbe in das Postgebäude transportiert und dort deponiert werden. Dann ging's zurück in die Gaststätte, wo der Verzehr bezahlt wurde und dann zum Zoll mit dem wenigen restlichen Geld. In der Post wurde anschließend das ergatterte Schmuggelgut wieder abgeholt.

Kartenabdruck: Zweigverein vom Roten Kreuz für den Kreis Mettmann

Kartenabdruck: Zweigverein vom Roten Kreuz für den Kreis Mettmann;
Verband- und Erfrischungsstelle auf dem Bahnhof Vohwinkel.

Eine denkwürdige Geschichte gibt es noch zu erzählen. Nach dem 1. Weltkrieg war ein deutscher Soldat ausgewandert und amerikanischer Bürger geworden. Als er 85 Jahre alt war, wollte er noch einmal den "Kirchenbahnhof" sehen und saß dann einige Stunden in dem früheren Wartesaal 1. Klasse, wo er damals beinahe erwischt worden wäre und sich nur durch eine Flucht mit einem vor dem Bahnhof abgestellten Fahrrad retten konnte. Er erkannte nach all den vielen Jahren die Holztäfelung wieder. Hier wollte er noch einmal sitzen.

Einmal im Jahr traf sich auch die Besatzung des legendären Eisenbahngeschützes "Dicke Berta" zum Festessen, allesamt Vohwinkeler Eisenbahner.

Die Entwicklung der Eisenbahn ging zunächst mit dem rapiden Anstieg der Einwohnenzahlen konform.

1888 hatte Vohwinkel 3.315 Einwohner, und 1902 war diese Zahl schon auf 10.247 angestiegen. Die Bedeutung des Stadtteils hatte 1988 insgesamt rd. 33.350 angezogen, und jetzt steuern wir unaufhaltsam auf die 40.000 zu.

Die Einwohnerzahlen haben demnach keinen Einfluss auf die rückläufige Entwicklung des Bahnhofgeschehens. Es ist eher die Wohlstandsgesellschaft, die jedem ein Auto bescherte und die Bedeutung des Nahverkehrs negativ beeinflusste. Ab 1990 begann dann noch die große Rationalisierung bei der DB, wo in Reihenfolge der Verschiebebahnhof, das Bahnbetriebswerk, die Brückenmeisterei, das Wagenwerk und die Güterabfertigung der Einsparung zum Opfer fielen. Die Zugfolge auf der rheinischen Strecke wurde eingeschränkt und dadurch bedingt auch Personal entlassen, und die Oberleitungswerkstatt wurde nach Düsseldorf verlegt.

Ruhmreiche Vergangenheit, stagnierende und kaum befriedigende Gegenwart und unsichere Zukunft - das ist die Geschichte "unseres" Vohwinkeler Bahnhofs. Dabei könnte alles so attraktiv, so belebt und deshalb so schön sein. Ein bisschen Pflege von Gewachsenem, von Tradition und von Lokalpatriotismus täte allen gut, ganz besonders aber den Verantwortlichen dieses so geschichtsträchtigen Geländes.

Erika Osenberg

Ein Dankeschön an dieser Stelle für die Überlieferungen von Wissen und Erlebtem an Eberhard Spitzer, vierter Bahnhofsgastwirt.

 

Copyright für den Text: Erika C. Osenberg.

Diesen Text und die Bilder finden Sie in:


Vohwinkel
... die freundliche Ecke Wuppertals
WERWOWAS2002/2003
Ihr Wegweiser durch unseren Stadtteil
Herausgeber: Aktion V
Werbegemeinschaft Vohwinkel e.V.
Verlag J.H. Born GmbH, Wuppertal
Druck: Eugen Huth GmbH & Co. KG
Herbst 2001.


Der Veröffentlichung des Textes auf dieser Webseite
hat freundlicherweise Frau Erika C. Osenberg zugestimmt.

 

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